FILM - Omsch
Pauline Schürz wird 1907 in Wien Hietzing geboren und stirbt 2009 im Wiener Bezirk Landstraße. Sie erlebt die Monarchie, die beiden Weltkriege, die Erste und die Zweite Republik und den Umstieg in ein neues Jahrtausend. 1989 zieht ein Student in ihre Nachbarswohnung in der Neulinggasse. Die Nachbarschaft wird schnell zur Freundschaft, zu einer tiefen Beziehung, die dem um 57 Jahre jüngeren Halt und Vertraulichkeit schenkt und die alte Dame, was sie immer wieder betont, am Leben erhält.
„Der Mensch braucht eine Ansprache.“ sagt sie. Ohne diese geht er ein wie eine Pflanze ohne Wasser. Tür an Tür besuchen die beiden einander fast täglich. Wenn Edgar, der Nachbar, im Ausland weilt, schreiben sie einander Briefe. Sie steht ihm mit Rat und Tat zur Seite und er kümmert sich in ihren späten Jahren um all die Dinge des täglichen Lebens die für sie unmöglich geworden sind. Manchmal machen die beiden Ausflüge in andere Bezirke, ins Grüne, in ein Nachbarland. Je älter „Omsch“ (so nennt er sie liebevoll) wird, desto kleiner wird ihr Bewegungsradius, jedoch nicht ihre Welt. Die letzten zehn Jahre ihres Daseins gestattet die alte Dame ihrem Nachbarn zaghaft und unregelmäßig der beiden Gespräche mitzufilmen. Sie spricht frei von der Leber weg, sie ist humorvoll, keck und manchmal voller Ironie. Ihr Lebenswille scheint unumstößlich, sie betont immer wieder, dass die schönste Zeit ihres Lebens das hohe Alter ist.
Der Film „OMSCH“ versucht diesem Umstand Rechnung zu tragen. Er erzählt von der Lust der Auseinandersetzung zweier Menschen zwischen denen sich drei Generationen befinden, vom Nachlassen der Kräfte, aber nicht des Willens, und dem nie versiegenden Brunnen der Liebe.
Das menschliche Gehirn braucht Probleme die es lösen kann, sonst verkümmert es. Gerald Hüther, Neurobiologe und Hirnforscher Im Jahr 2050 wird jeder fünfte Mensch über 60 Jahre alt sein. Im Zusammenhang mit unserer immer älter werdenden Gesellschaft beschäftigt man sich in der Öffentlichkeit vor allem mit Fragen der Gesundheit und wirtschaftlichen Aspekten. Finanzielle Absicherung, Generationenvertrag, das höher werdende Pensionsantrittsalter, Pflegegeld, Krebs- und Zellforschung sind Themen, die in den Medien zirkulieren. Welche emotionalen Herausforderungen aber stellt das Älterwerden an den Menschen? Wir denken, es bedarf keiner Ausbreitung des längst überholten Konzepts der „Jugendkultur“. Dass diese weder die einen noch die anderen glücklich macht, ist längst evident. Kommunikation bedeutet Leben. Die Hirnforschung hat bewiesen, dass der wichtigste Faktor, um im Leben zu bleiben und Demenz zu vermeiden, der intensive Austausch mit anderen Menschen ist. Selbst das Lesen schützt weniger davor, als das sich Aufgehoben fühlen im Gegenüber. Die Beziehung zwischen sehr jungen und sehr alten Menschen ist zweifelsohne von Vorteil für beide Seiten. Die Alten wollen, wenn sie offen genug dafür sind, mithalten und können sich nicht gestatten sich aufzugeben, die Jungen können ihre Neugier über vergangene Zeiten stillen und verstehen lernen was es bedeutet hoch betagt zu sein. Die Alten sind insofern der Zeit enthoben, als sie sich nicht mehr gegen Konkurrenz zu wappnen haben, kompetatives Gehabe nicht mehr notwendig haben, was sie verständnisvoll und milde macht. Sie müssen nicht mitstreiten, zumindest nicht in diesem Land und in wenigen anderen. Die Jungen können ihr Ungestüm am Alten reiben, überprüfen, ob die Überzeugung, dass das hier und jetzt viel besser ist als das anno dazumal überprüfen, sich aufgehoben fühlen und ohne Angst vor Übertritten frei ihre Vorstellungen von der Welt ausbreiten. Und die Alten schätzen sich mit Sicherheit glücklich, von den Jungen ernst genommen zu werden.
Mit Omsch lernen wir eine Frau kennen, die für sich befriedigende Antworten für den letzten Abschnitt ihres Lebens gefunden hat. Für sie Freiheit und so genießt sie jeden einzelnen als wäre es der letzte. Das ist jeder Tag ein Geschenk: Von Tag zu Tag zu leben bedeutet viel hohe Alter bezeichnet sie stolz als „die schönste Zeit in ihrem Leben“. Die Beschwerlichkeiten des hohen Alters, das sich schwer Zurechtfinden in einer sehr schnellen, sich ständigen ändernden Welt, bleibt im Film nicht ausgeklammert, jedoch ist Omsch ein Musterbeispiel der Anpassung und Adaption. Sie bleibt offen, scheut sich nicht neu zu denken, andere Wege zu gehen, sie hadert nicht mit der zunehmenden Einschra?nkung ihres Bewegungsradius, nein, sie begegnet den Unbill des zunehmenden Verfalls mit Witz und großem Vertrauen in ihre Umgebung.