Ingrid Felipe - Wer für Menschenrechte eintritt, ist heute schon links
Wir haben in den letzten Jahren eine dramatische Verschiebung der politischen Debatte erlebt. Die Öffnung Europas und das Zusammenwachsen unseres Kontinents durch das größte Friedensprojekt der Geschichte – die Europäische Union – bekommt durch nationalistische und protektionistische Bewegungen einen heftigen Dämpfer. Wer für die Gleichbehandlung aller Menschen, wer für die fundamentalen Menschenrechte und wer für ein positives Menschenbild und für Hoffnung eintritt, ist heute schon links, wobei ich lieber den Begriff "progressiv" verwende, weil das nach meinem Dafürhalten das wesentlichste Element von linken Parteien sein muss. In diesem Sinn kann ich die Frage „Sind die Grünen links?“ eindeutig mit „Ja“ beantworten. Wir sind innerhalb des österreichischen Parteiensystems mittlerweile die einzigen, die dem dumpfen „Österreicher zuerst“-Patriotismus noch etwas entgegenhalten.
Ich halte diese Positionierung als progressive Partei im Übrigen nicht nur für inhaltlich richtig, sondern auch für strategisch relevant. In den Ländern des europäischen Südens regieren Parteien links der Mitte, in Deutschland geraten die Grünen zwischen SPD, FDP und Linken in eine unangenehme Lage. Deutschland zeigt aber gleichzeitig auch, dass das Wachsen der RechtspopulistInnen kein Naturgesetz ist – auch nicht in Zeiten wirtschaftlicher Verknappung und großen Herausforderungen bei der Integration. Das Schrumpfen der AfD sollte uns Mut machen, den Diskursen der FPÖ genau so entschieden entgegen zu treten, wie wir das bisher tun und auch weiter darauf hinzuweisen, wie eng die Verknüpfungen zur rechtsradikalen Szene sind.
Ein österreichisches Spezifikum macht indes die immer wieder geforderte populistische Positionierung der Grünen schwierig: Wir regieren in fünf von neuen Bundesländern und sitzen in Oberösterreich aus Proporzgründen ebenfalls in der Landesregierung. Wer gestaltet und dabei auch Kompromisse eingehen und verteidigen muss, kann nie so marktschreierisch auftreten, wie das in einer reinen Oppositionsrolle möglich ist. Das Zurück in die Opposition ist für mich keine Option: Man sieht an den dramatischen Verschärfungen und am Klassenkampf von oben, der im schwarz-blauen Oberösterreich und im rot-blauen Burgenland ausgebrochen ist, wohin das führt. Aufgabe von uns Grünen als progressive Partei wird es in den nächsten Jahren sein, die Menschenwürde, den sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt und den sozialen Ausgleich hochzuhalten. Dass das strategisch sinnvoll und inhaltlich richtig ist, trifft sich dabei gut.