Markus Koza - Arbeitszeitverkürzung ist ein zentraler Punkt für ein Gutes Leben
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) hat sich der Mission verschrieben, für soziale Gerechtigkeit, gerechte Wohlstandsverteilung und gleiche Chancen für alle einzutreten. Diese Mission fügt sich sehr gut in das Gesamtbild des „Guten Lebens für alle“ ein. Welchen Beitrag leisten Sie in ihrer Arbeit für die unabhängigen GewerkschafterInnen (UG) im ÖGB, diesem Ziel näherzukommen?
Wir bei den unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB legen die Frage des Guten Lebens ein bisschen breiter an, als es Gewerkschaften traditionellerweise tun. In den Fragen von Wohlstandssicherung und „guter Arbeit“ sehen wir eine wichtige ökologische Komponente und auch eine Verteilungsfrage: Wer hat Zugang zu sauberem Wasser, zu sauberer Luft, zu ausreichend Grünraum, zu umweltfreundlicher Mobilität? Deswegen ist die ökologische Frage eine ganz Zentrale, nicht zuletzt eine Überlebensfrage.
Das Gute Leben für alle ruft also nach grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, die auch ökologische Gesichtspunkte miteinbeziehen. Was soll konkret verändert werden?
Eine zentrale Herausforderung für die sozial-ökologische Transformation ist die Demokratisierung der Arbeitswelt. Das eine ist die Frage von guter Arbeit: das heißt eine sichere Arbeit, die auf Selbstbestimmung beruht, mit klaren und deutlich verkürzten Arbeitszeiten im Vergleich zu heute; Arbeit die sozialrechtlich und sozialversicherungsrechtlich gesichert ist, und die demokratisch organisiert ist. Das betrifft auch die Eigentumsfrage: Wer bestimmt über den Produktionsprozess und unter welchen Voraussetzungen? Will man ihn wirklich weiterhin den Privatunternehmen überlassen? Eine grundlegende Demokratisierung des Produktionsprozesses wäre nötig, in dem KonsumentInnenverbände, Gewerkschaften, Betriebsräte, ArbeitnehmerInnenvertreterInnen, VertreterInnen der Unternehmen, aber auch die öffentliche Hand viel stärker mit eingebunden sind. Das ist ein gesellschaftlicher Ausverhandlungsprozess, in dem die öffentliche Hand und die Gesellschaft viel stärker mitbestimmen, in welche Richtung eine wirtschaftliche Entwicklung zu gehen hat. Im Rahmen der Ökologisierung des Systems muss man aber auch gewisse Lenkungsmechanismen einbauen, die tatsächlich einen ökologischen Umbau zulassen: vom Steuersystem über spezielle Förderungen für sozial-ökologische Prozesse bis hin zu einem Umbau der öffentlichen Investitionen in Richtung Bildung und soziale Dienstleistungen. Also Investitionen in jene Bereiche, die nicht ökologisch belastend sind und gleichzeitig unmittelbar einen gesellschaftlichen Mehrwert und Wohlstand bringen. Also Demokratisierung, sozial-ökologische Investitionsmaßnahme und massive Umverteilung von Vermögen und von Einkommen, insbesondere von Zeit über radikale Arbeitszeitverkürzung.
Welche Rolle spielt die Verteilung von Arbeit in der Vision des „Guten Lebens für alle“?
Eine ganz zentrale. Die Frage ist: Über wie viel Zeit meines kostbaren Lebens verfügt das Unternehmen im Rahmen der Mehrwertproduktion? Habe ich genug Zeit zur Erholung? Habe ich genug Zeit für gesellschaftliche, politische Tätigkeiten, für Beziehungen, für Familie, für Freundschaft, für Kinder und für Freizeit? Arbeitszeitverkürzung ist also ein zentraler Punkt. Wenn wir wirklich wieder in Richtung Vollbeschäftigung gehen wollen, um allen die Möglichkeit zu geben, an der Schaffung von Wohlstand zu partizipieren, dann brauchen wir einen deutlich verkürzten Arbeitszeitstandard.
Und der wäre?
Ich bin ein Anhänger der 30-Stunden-Woche. Der neue Korridor von Arbeitszeit wird irgendwo zwischen 25 und 35 Stunden liegen. Wir müssen die Arbeitszeit aber auch auf einer täglichen Basis diskutieren, also den 6-Stunden-Arbeitstag. Das ist wichtig für die gerechte Aufteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern, zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. Das betrifft vor allem Bereiche der Reproduktion und der Care-Economy, die täglich anfallen.
Was können wir in Österreich tun, um die globale Gerechtigkeit, also das „für alle“, voranzutreiben?
Zum einen muss die Internationale Zusammenarbeit, was Entwicklungshilfe usw. betrifft, wieder eine viel stärkere Bedeutung bekommen. Zum anderen ist es eine Frage der Verantwortung in Klimaschutzmaßnahmen. Außerdem geht es auch darum, wie ich mit Ländern umgehe, in denen Menschenrechte und Gewerkschaftsrechte massiv verletzt werden. Ob man da nicht auch Strafzölle einheben sollte, um einerseits die einheimische Produktion vor irregulärem, unfairem Wettbewerb zu schützen, und andererseits zu sagen, wir sind nicht bereit, das länger zu akzeptieren. Hinzu kommt die direkte Hilfe von Gewerkschaften für Gewerkschaftsverbände vor Ort. Und die findet statt, sowohl mit Know-How als auch finanziell. Der ÖGB hat auch Projekte laufen, zB „Weltumspannend Arbeiten“, die sich mit den Themen der internationalen Solidarität, aber auch von Ausbeutung in Ländern des Südens intensiv auseinandersetzt. Da gibt es sehr enge Kooperationen. Es wird auch versucht, diesen Diskurs nach Österreich zu bringen.
Das ist eine spannende Herausforderung. Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und danke für das Gespräch!
Das Interview führte Christoph Peterseil (www.klimareporter.in) für die Grüne Bildungswerkstatt.
Markus Koza ist Vorsitzender der unabhängigen GewerkschafterInnen im Österreichischen Gewerkschaftsbund. Im Interview mit Christoph Peterseil (GBW) betont er die Notwendigkeit einer sozialökologischen Transformation der Gesellschaft.