„Raus aus dem nationalen Schrebergarten“
VON ELKE MAYERHOFER
Bei den Grünen ist Ulrike Lunacek keine Unbekannte. Zehn Jahre lang war sie für die Grünen im Nationalrat, als außenpolitische Sprecherin, tätig. 2009 wechselte sie auf die europäische Ebene ins Parlament. Vergangenen Herbst wurde sie schließlich vom Bundeskongress erneut zur Spitzenkandidatin der Grünen in Österreich für die EU-Parlamentswahl im Mai gewählt.
Europa, das ist so eine Sache. In Brüssel bei den europäischen Institutionen, da ist ein gemeinsamer europäischer Geist spürbar. 1.107 Kilometer weiter östlich, in Wien, ist der Enthusiasmus nicht mehr ganz groß.
Ulrike Lunacek kennt dieses Phänomen. Sie ist regelmäßig bei Veranstaltungen in Österreich, um von ihrer Arbeit als Parlamentarierin zu berichten und ihre Vision von Europa vorzustellen. „Mein Ziel ist es, die Menschen wieder daran zu erinnern, was sie an der Union haben. Dass wir uns innerhalb der Union frei bewegen können, dass wir an den Grenzen unser Geld nicht mehr wechseln müssen, dass Schüler und Schülerinnen, Lehrlinge, Studierende Abschnitte ihrer Ausbildung relativ unkompliziert in anderen EU-Mitgliedsstaaten absolvieren können, dass uns ganz Europa offen steht, was unseren Wohn- und Arbeitsort anbelangt und so vieles mehr. Das alles wird heute als selbstverständlich betrachtet und darum werden wir auch von vielen Ländern und Regionen außerhalb der EU beneidet.“
Doch nicht nur die/ der Einzelne profitiert von der Union. Oft leistet die EU auch eine wichtige Vorarbeit für Versäumnisse nationaler Politik. Ulrike Lunaceks jüngstes Erfolgserlebnis ist ein solches Beispiel. Trotz massiver Protest-Kampagnen im Vorfeld wurde ihr Bericht für eine EU-Roadmap gegen Homophobie und Diskriminierung auf Basis der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität angenommen. In der Plenarsitzung im Februar dieses Jahres in Straßburg präsentierte sie den Abgeordneten ihren Bericht mit folgenden Worten: „Ich habe nicht mit so einem massiven Widerstand gegen einen Bericht gerechnet, der im Grunde nichts anderes beinhaltet, als dass Menschen lieben können, wen immer sie wollen. Dass sie ihr Leben frei von Angst und Diskriminierung leben können.“
Dass die EU nicht perfekt ist, weiß Lunacek nur zu gut. „Wir Grünen machen das immer wieder deutlich mit unseren Forderungen für ein besseres Europa. Wir wollen ein sozialeres, demokratischeres und ökologischeres Europa. Dafür kämpfen wir.“
Die Kritik an der heutigen EU ist für Ulrike Lunacek allerdings kein Grund die Idee eines gemeinsamen Europas in Frage zu stellen. Im Gegenteil, in manchen Politikbereichen wünscht sie sich sogar mehr Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten. „Um den großen Herausforderungen vor denen wir stehen, zum Beispiel der Klimawandel, die Finanz- und Wirtschaftskrise, aber auch beim Kampf gegen Steueroasen, der Energiewende oder beim Naturschutz, Herr zu werden, braucht es ein gemeinsames Vorgehen und mehr Koordination. Diese Themen können nicht von einzelnen Staaten, sondern nur im Verbund angegangen und wirksam bekämpft werden.“
In diesen Bereichen sieht Lunacek auch dringenden Handlungsbedarf für die europäische Politik in den nächsten Jahren. „Die Krisen der vergangenen Jahre haben die politischen Defizite der Union schonungslos offen gelegt“, urteilt die EU-Parlamentarierin. „Die nationalen Regierungen sind als Entscheidungsträger für das gemeinsame Europa ungeeignet: Sie sind zu langsam, immer zu spät, zu zögerlich und zu sehr auf den eigenen, kleinen, nationalen Schrebergarten fixiert. Es braucht aber europäische Akteure.“
Wohin soll also die Reise gehen? Hier hat Ulrike Lunacek die Vision eines Europas der Bürgerinnen und Bürger, das die Sehnsucht nach „guten alten“ Nationalstaatszeiten obsolet macht. Lunacek will, dass die EU weltweite Standards bei Bildung, Solidarität, humanitärer Hilfe und Menschenrechten setzt. Dass die EU sich zu einer Sozialunion entwickelt, die allen die gleichen Chancen bietet und niemanden auf der Strecke lässt. Dass die EU ein Vorreiter bei Klimaschutz und erneuerbaren Energien ist. Um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es ihrer Meinung nach einen Europäischen Konvent. Hier sollen in „einem offenen und transparenten Verfahren allen voran die Bürgerinnen und Bürger und die europäische Zivilgesellschaft zusammen mit den Vertreterinnen und Vertretern aus den nationalen Regierungen und Parlamenten mitreden, mit dem Ziel eine handlungsfähige und demokratisch legitimierte Steuerung Europas zu erreichen.“
„Wir wollen ein sozialeres, demokratischeres und ökologischeres Europa. Dafür kämpfen wir.“
Ulrike Lunacek
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