Wie bio ist der Supermarkt?
Von Claudia Kolb
Blauer Himmel. Sonnenschein. Ein traumhaft schöner Herbsttag. Es zwitschern die Vogerl, es muht eine Kuh. Eine Katze streift durch den Innenhof des Bilderbuch-Vierkanters. Ein über die Maßen entzückendes Schweinderl betritt die Szenerie. Eine Henne und ein Hahn laufen verliebt darauf zu. Glück zu Zweit. Das Schweinderl erzählt wie lieb sich die beiden haben. Schwenk auf ein Nest mit Eiern. Mit Liebe gemacht. „Ja! Natürlich.“ Cut, Schnitt, Aus.
Mit anderen HauptdarstellerInnen könnte uns die Szenerie auch „Zurück zum Ursprung“ führen oder uns „Natur pur“ erleben lassen.
Die Bedeutung – und damit verbunden der Umsatz –von Bioprodukten aller Art steigt stetig. Kritische KonsumentInnen geben immer mehr Geld für Bio aus, die Umsätze steigen jährlich. Allein zwischen 2006 und 2010 legte der Bioanteil des Lebensmitteleinzelhandels um mehr als die Hälfte zu. Den Löwenanteil von 91,5% der insgesamt 306 Millionen Euro im Jahr 2012 sichern sich in Österreich dabei die großen Supermarktkonzerne wie Rewe (Billa & Co.), Spar und Hofer – vor allem mit deren Bio-Eigenmarken. Gerade einmal 8,5 Prozent teilen sich heute also Bio-Läden und Reformhäuser, die ursprünglichen Vorreiter der Bio-Bewegung.
Dass diese Entwicklung zwiespältige Gefühle aufkommen lässt, liegt in der Natur der Sache. Zum einen leisten die Supermarktkonzerne mit viel Geschick und noch mehr (Marketing)Budget einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung. Erst seit diese das Thema für sich als relevant erkannt haben, steigt auch das Interesse und die Bedeutung von Bio in der Gesellschaft, hinterfragen immer mehr Menschen, was sie zu sich nehmen und welche Auswirkungen die Wahl der Ernährung auf das eigene Wohlbefinden aber auch das ökologische Gleichgewicht hat. Die ethische Komponente spielt dabei eine nach wie vor eher untergeordnete Rolle. Aber auch die Leistbarkeit von Bioprodukten ist seitdem gestiegen. Die Preisniveau-Kurve zeigt stetig nach unten, Bio hat sein Elite-Image weitgehend verloren. Die Leistbarkeit für immer mehr Menschen ist zugleich aber auch eine Herausforderung für die Produktion und die daran mitunter beteiligten Lebewesen, denn der steigende Bedarf will gedeckt werden, und das zu niedrigen Preisen.
Mit Liebe gemacht?
Um zum Beispiel der mit Liebe gemachten Eier zurückzukehren: laut Daten der Bio Austria lag die Produktion von Bio Eiern im Jahr 2013 bei 167 Millionen Stück. Betriebsgrößen von zuweilen 15.000 Hennen sind kein Einzelfall. In so einem Betrieb liegt die Produktion bei 14.000 Bioeiern pro Tag. Liebe stellt man sich anders vor.
Der Spagat zwischen Nutzen und Risiko ist allgegenwärtig und unweigerlich drängt sich dabei eine weitere Frage auf – die philosophische nach Henne und Ei in seiner logischen Interpretation, also dem Unterschied zwischen Ursache und Grund. Wo wäre das Thema Bio in der Ernährung heute ohne die Triebfeder der Großkonzerne mit deren finanzieller und kommunikatorischer Macht? Und vor allem: wie edel waren wohl die Motive dahinter? Und heiligt der Zweck die Mittel? Andererseits: wo wären die Großkonzerne ohne die jahrzehntelange Vorarbeit von Biobäuerinnen und Biobauern, kleinen Bioläden und jenen KonsumentInnen, die die Wichtigkeit bereits in frühen Jahren erkannt und mit viel Mühe auch danach gelebt haben. Über bleibt – wie so oft - der einzelne Mensch, der im Spannungsfeld von überbordender und teils widersprüchlicher Information, Lobbyismus, dem Glauben an das Gute sowie den eigenen ethischen Grundsätzen tagtäglich seine Entscheidungen treffen muss. Die Entscheidung, ob er lieber auf Bio aus dem Supermarkt zurückgreift, bevor er darauf überhaupt verzichtet, ob er es sich „leisten“ will, in der Biogreißlerei einzukaufen oder ob er sich bäuerliche Betriebe seines Vertrauens sucht, die diversen Biokistln bestellt usw.
Quellen
- Bio Austria / www.bio-austria.at
- Clemens G. Arvay: „Der große Bioschmäh“